Özgür Özvatan im Interview mit der Berliner Zeitung zum Thema „Debattieren über Nahost“
Debattieren über Nahost: „Es ist möglich, Empathie zu zeigen, ohne Partei zu ergreifen“
Die Deutschen ringen seit dem Angriff der Hamas auf Israel um ihre Haltung. Der Berliner Gesellschaftsforscher Özgür Özvatan warnt vor Sprachlosigkeit.
Von Cedric Rehman, 06.12.2023
Herr Özvatan, hatten Sie nach dem Kriegsbeginn im Nahen Osten schon mal Zweifel, ob Sie das, was Ihnen zu den Ereignissen durch den Kopf geht, auch sagen sollten?
Ich hatte vor einem Monat an der Universität in Amsterdam ein Erlebnis, das mich etwas irritiert hat. Ich bin nach einem Vortrag zufällig in eine propalästinensische Kundgebung geraten, als ich auf der Suche nach Kollegen war. Mein erster Gedanke war: Was wäre, wenn mich jetzt jemand hier fotograYert und das Foto bekannt würde? Der zweite Gedanke war, ob eine solche Veranstaltung zur damaligen Zeit an der Humboldt-Universität überhaupt denkbar gewesen wäre. Dass ich beide Gedankengänge hatte, war bezeichnend für die Debatten in Deutschland. Die besagte Demonstration war ein demokratischer Protest. Friedlich und nicht antisemitisch. Also gab es eigentlich keinen Grund für meine Schnappatmung.
Müssen Menschen, die wie Sie als Muslime gelesen werden, jetzt noch mehr darauf achten, was sie sagen oder mit wem sie sich fotografieren lassen?
Menschen mit einem muslimischen Hintergrund nehmen einen Generalverdacht wahr. Äußerungen nicht nur konservativer Politiker, sondern auch von Bundeswirtschaftsminister Habeck oder der Bundesinnenministerin Faeser auf der Deutschen Islamkonferenz wurden als belehrend und pauschalisierend empfunden. Das entfremdet viele und macht besonders Muslime betroffen, die sich gesamtgesellschaftlich engagieren und auch in ihrer Community gegen Antisemitismus Bildungsarbeit leisten.
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>ganzes Interview online (paywall): https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/debattieren-ueber-nahost-es-ist-moeglich-empathie-zeigen-ohne-partei-zu-ergreifen-li.2164265
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